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Um das Problem Hufrolle verstehen zu können, sind  gewisse anatomische Grundkenntnisse Voraussetzung, die ich im Folgenden vermitteln will. Vor der Erläuterung der Anatomie ist eine Begriffsbestimmung notwendig, da hier einiges durcheinander geworfen wird:

Unter der "Hufrolle" wird in der Umgangssprache der Reiter bezeichnet:

    • Im engeren Sinne:
      • Das Strahlbein als anatomische Struktur
      • Das Strahlbein ist ein kleiner Knochen bzw. ein "Sesambein" im Huf
    • Im weiteren Sinne:
      • Alle Strukturen, die mit dem Strahlbein assoziiert sind
      • Der Strahlbeinkomplex umfasst knöcherne und Weichteilstrukturen
    • Andererseits aber auch:
      • Alle Erkrankung des Strahlbeines oder auch des Strahlbeinkomplexes im weiteren Sinn

Die Hufrolle - das Strahlbein als anatomische Struktur

Der Hauptbestandteil der Hufrolle (Podotrochlea) ist das Strahlbein. Das Strahlbein ist ein kleiner Knochen im hinteren Teil des Hufes. Es ist ein in der Form einem Weberschiffchen ähnelnder Knochen, der auf beiden Seiten mit einer Knorpelschicht (auf der Hufgelenksseite hyaliner Gelenksknorpel, auf der Beugesehnenseite Faserknorpel) überzogen ist, um die Gleitfähigkeit zu gewähren. Mann spricht von Hufrolle, weil das Strahlbein als Umlenkrolle für die tiefe Beugesehne dient.

Strahlbein mit Blick auf die mit Faserknorpel überzogene Sehnengleitfläche. Oben, unten und an den Seiten die Bandansätze. Das kleine Loch in der Gleitfläche ist nicht normal, muss aber auch keine Schmerzen verursachen.

1 Strahlbein, 2 Hufbein, 3 Kronbein, 4 Fesselbein

Die Abbildung rechts zeigt die Tiefe Beugesehne um die “Umlenkrolle” Strahlbein von ihrer Insertion am Hufbein nach oben ziehen.

 

 

 

 

 

 

Der Strahlbeinkomplex bzw. Hufrollenkomplex

Die Hufrolle im weiteren Sinne umfasst neben dem Strahlbein weitere Strukturen:

  1. Den hinteren Teil des Hufgelenkes, der Kontakt mit dem Strahlbein hat
  2. Den Hufrollenchleimbeutel
  3. Die Seitenbänder und das untere Strahlbeinband
  4. Die tiefe Beugesehne im Bereich des Strahlbeines
  5. Die Gefäß- und Nervenversorgung des Strahlbeines

Hufgelenk

Das Strahlbein ist wie gesagt recht unbeweglich, bildet aber mit dem Hufbein zusammen die Gelenkfläche für das Hufgelenk und ist somit Teil des Hufgelenkes. Die Auskleidung des Hufgelenkes hat Kontakt mit den Strahlbeinbändern, sodass Gelenksflüssigkeit des Hufgelenkes diese Bänder zum Teil regelrecht umspült. Die hintere Aussackung des Hufgelenkes oberhalb des Strahlbeines kann relativ groß sein (20-30ml Volumen)

 

 

Hufrollenschleimbeutel

Da an der Hufrolle nichts "rollt", sondern die tiefe Beugesehne über das Strahlbein gleiten muss, ist ein Schleimbeutel  (Bursa podotrochlearis) notwendig, der zwischen tiefer Beugesehne und Strahlbeinoberfläche liegt. Der Schleimbeutel ist relativ klein (maximal 3 ml Volumen) und lässt sich nicht weiter auffüllen oder ausdehnen.

 

 

 

Bänder

Das Strahlbein sitzt relativ fest in seiner Position, da es  am oberen Rand  durch je ein Seitenband innen und außen (Fesselbein-Strahlbein-Hufbeinband = Lig. sesamoideum kollaterale med. u. lat.)  und ein unteres Band (unpaares Strahlbein-Hufbeinband = Lig. sesamoideum impar) in seiner Lage gehalten wird. Das untere Band verläuft parallel mit der tiefen Beugesehne und setzt mit dieser zusammen am Hufbein an. Die Seitenbänder setzen an der oberen Kante des Strahlbeines an und laufen schräg zur Seite weg, um an Hufbein und Hufknorpel und im weiteren Verlauf am Fesselbein anzusetzen  .

Die ungestörte Funktion der  Bandstrukturen ist wichtig da hier in der Bewegung extrem hohe mechanische Belastungen auftreten. Die Bänder sind besonders am Ende der Stützphase beim Abschieben sehr starken Belastungen ausgesetzt. Um diese Kräfte auszuhalten, sind die Strahlbeinbänder im gesunden Zustand mit einem hohen Anteil von elastischen Fasern ausgestattet.

Wie man aus den Abbildungen erkennen kann, sind die Strahlbeinbänder Entzündungssubstanzen aus dem Hufgelenk und dem Hufrollenschleimbeutel ausgesetzt. Auch bei Schäden am Strahlbein und/oder der tiefen Beugesehne ist mit Auswirkungen auf die Strahlbeinbänder zu rechnen. Dies bedeutet, dass Erkrankungen dieser Strukturen sekundär auch Folgen für die Bandstrukturen haben.

 

 

Tiefe Beugesehne

Die tiefe Beugesehne läuft in der Fesselbeuge in einer Sehnenscheide. Im weiteren Verlauf wird die tiefe Beugesehne innerhalb der Hornkapsel, geschmiert durch den Hufrollenschleimbeutel, um das Strahlbein herumgeführt. Das Ende der tiefen Beugesehne ist an der Unterfläche des Hufbeins angewachsen.

 

Das Strahlbein dient als Umlenk-”Rolle” für die tiefe Beugesehne.

 

Gefäß und Nervenversorgung

Die Haupt Nerven- und Gefäßversorgung kommt über die Zehennerven (N. digitalis, ramus pulvinus) bzw. Zehengefäße an der Innenkante des Hufknorpels in die Strahlbeinregion. Die tiefe Beugesehne erhält einen Teil Ihrer Nerven- und Gefäßversorgung bereits von weiter oben aus dem Bereich der Fesselbeuge.

Das untere Strahlbeinband  ist mit sehr vielen Nervenfasern durchzogen, die wohl als Dehnungsfühler für die auftretenden Kräfte wirken und die ebenfalls über dieses Band laufende Blutzufuhr zum Strahlbein regulieren (Neurovaskuläre Komplexe). Vermutlich werden die zuführenden Gefäße während des Moments des Auffußens geschlossen, um einen Überdruck im Strahlbein zu verhindern.

Durch die große Anzahl Schmerz übertragender Nerven ist das untere Band extrem sensibel und schmerzempfindlich.

Ist das untere Band geschädigt, funktionieren die Schutzfunktionen nicht mehr und es kommt zu weiteren Folgeschäden an den anderen Komponenten des Hufrollenkomplexes

Auch die Seitenbänder führen schmerzleitende Nervenfasern.

Die Nerven, die Informationen über die Gliedmaßenstellung im hinteren Bereich des Hufes liefern, laufen hauptsächlich in den Seitenbändern des Strahlbeines und in der Ballenregion.

Wird die Stimulation der Sensoren reduziert, kommt es bei manchen Pferden als Resultat auch zu einer veränderten Fußung. Wenn das “Gefühl” für den Boden fehlt, werden die Tritte eher kürzer. Zehenfußung reduziert ebenfalls die Reizung der Rezeptoren und ist daher in bestimmten Stadien einer Erkrankung des Hufrollenkomplexes für das Pferd angenehmer. 

Der gesamte Trachtenbereich hat für die Steuerung des Bewegungsablaufes  die Funktion eines sensorischen Organs. Außer den Sensoren im unteren Strahlbeinband liegen weitere Drucksensoren  vor allem in der Trachtenregion, um das Hufbein herum und in Nachbarschaft zum Hufknorpel. Sie sind für die Steuerung des Ablaufs der Fußung zuständig.

Die Seitenbänder sind umschlossen von Aussackungen des Hufgelenkes und auch das untere Band hat Kontakt mit dem Hufgelenk. Diese Konstellation führt zu einem offensichtlichen diagnostischen  Dilemma, denn die Anästhesie des Hufgelenkes betäubt zu einem großen Teil die Strahlbeinbänder und damit auch das Strahlbein. Andererseits kann man wiederum diese Strukturen therapeutisch über das Hufgelenk erreichen. Eine therapeutische Injektion in das Hufgelenk erreicht also auch das Strahlbein und seinen Bandapparat. Nicht nur für den Laien sondern auch für den Tierarzt eine verwirrende Situation.

Die Blutversorgung des Strahlbeines erfolgt vor allem vom unteren Rand durch das untere Strahlbeinband. Die Gefäße treten hier durch die häufig röntgenologisch sichtbaren Gefäßkanäle in das Strahlbein ein. Auch über den oberen Rand des Strahlbeines treten Blutgefäße zur Versorgung des Strahlbeines ein.

Die Hufrolle im weiteren Sinne ist also ein anatomisch und funktionell sehr komplexes Gebilde, das extremen Belastungen in der Bewegung ausgesetzt ist und daher sehr anfällig für Erkrankungen und Verschleiß ist. Eine Erkrankung findet man fast nur an den Vordergliedmaßen, da hier wesentlich höhere Belastungen auftreten. 60 bis 65% des Körpergewichtes lastet auf den Vorderbeinen.

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