Sonstige Erkrankungen

Im Folgenden werden stichwortartig weitere relevante Strukturen und  Erkrankungen im unteren Zehenbereich aufgeführt. Sie sind differentialdiagnostisch von Bedeutung. Die verschiedenen Erkrankungen können evtl. auch zusammen mit dem Hufrollensyndrom auftreten.

Hufgelenk

Das Hufgelenk ist eines der kompliziertesten Gelenke des Pferdes, da es strukturell sehr komplex ist und zahlreiche verwinkelte Gelenkaussackungen hat.

Das Hufgelenk ist zwar sehr straff geführt aber sehr hohen Belastungen ausgesetzt, weshalb es relativ krankheitsanfällig ist. Es ist ein reines Walzengelenk, das heißt Drehbewegungen oder schiefes Aufsetzen des Hufes  (wie im Reitsport vermehrt gefordert) können nur schlecht ausgeglichen werden und verursachen starken Zug auf den Bandapparat und die Gelenkkapsel  bzw.  im Fall von schiefer Fußung eine massiv ungleiche Belastung der Gelenksfläche. Trotzdem ist das Hufgelenk noch am ehesten in der Lage Rotationen nachzugeben, da es am wenigsten stark in seiner Walze geführt ist.

Erkrankungen:

  • Arthritis, Gelenksentzündung
  • Im dorsalen (vorderen) Bereich oberhalb des Kronsaums lässt sich häufig der Füllungszustand des Hufgelenks beurteilen. Eine vermehrte Füllung kann Hinweis für eine Entzündung des Hufgelenkes sein. Denn bei einer Gelenksentzündung steigt die Produktion von Gelenkschmiere an, womit der Druck steigt. Andauernd erhöhter Druck ist wiederum schädlich für das Strahlbein.  Im Hufgelenk werden sehr häufig Druckwerte über 50mmHg gemessen. Werte über 40mmHg verursachen beim Menschen bereits Schmerzen. Wenn eine akute Entzündung rechtzeitig intensiv behandelt wird, sind die Folgen für das Gelenk meist nicht so dramatisch.

  • Arthrose, DJD, artikuläre Schale, periartikuläre Schale
  • Das Hufgelenk kann chronisch entzündet sein und führt bei einer andauernden Entzündung auch zu einer Erkrankung des Strahlbeines. Die chronische Gelenkserkrankung mit degenerativen Gelenksschäden wird degenerativ joint disease (DJD) bezeichnet und äußert sich mittelfristig in Zubildungen am Gelenksrand oder Bandansätzen (Schale) und Zerstörung des Gelenkknorpels. Als artikuläre Schale wird eine Arthrose bezeichnet, deren röntgenologische Veränderungen direkt am Gelenk liegen, bei der periartikulären Schale liegen die Veränderungen etwas weiter vom eigentlichen Gelenksrand entfernt an den Bandansätzen.

    Degenerative Gelenkserkrankungen im Sinne von Arthrose spielen beim Hufrollensyndrom insofern eine Rolle, als sie entweder parallel zur Hufrollenerkrankung oder auch als entscheidender Auslöser für die Erkrankung des Hufrollenkomplexes in Erscheinung treten können. Das Hufgelenk ist Teil des Hufrollenkomplexes. Eine Hufgelenksarthrose schädigt direkt und indirekt das Strahlbein und umliegende Strukturen.

    Arthrose bedeutet:

      • Gelenkverschleiß
      • Knorpelschaden
      • Entzündung und Schmerz
      • Bewegungseinschränkung.

    Eine Arthrose beginnt in aller Regel schon lange Zeit bevor klinische Anzeichen in Erscheinung treten. Dies gilt besonders für das Pferd, da es im Gliedmaßenbereich wesentlich unempfindlicher ist als der Mensch. Leitsymptom der Arthrose ist die Schädigung des Gelenkknorpels, die als solche erst einmal keine Schmerzen verursacht, da Knorpel keine Nervenfasern enthält.

    Ein Gelenk kann seine Bewegungsfunktion nur erfüllen, wenn die Gelenkflächen mit Knorpel überzogen sind. Gelenkknorpel wirkt durch seine Elastizität zum einen als Stoßdämpfer und zum anderen sorgt er durch seine glatte Oberfläche für einen reibungslosen Bewegungsablauf. Bereiche des Gelenkes, die nicht mit Knorpel bedeckt sind, werden durch die Gelenkinnenhaut (Synovialis) ausgekleidet.  Zusammengehalten wird das Gelenk durch die Gelenkkapsel und die darin integrierten Bänder. Gelenkknorpel ist insofern ein sehr spezielles Gewebe, als dass er nicht durchblutet ist, da er keine Blutgefäße enthält. Zur Ernährung ist der Gelenkknorpel auf die Versorgung mit Nährstoffen durch die Gelenkschmiere angewiesen. Die Gelenkschmiere wird von der Gelenkinnenhaut produziert, die wiederum sehr stark durchblutet und mit Nervenfasern durchzogen ist. Schmerzen im Gelenk rühren daher in aller Regel aus der Gelenkkapsel und ihren Anheftungsstellen am Knochen.  Im Zuge einer Arthrose verhärtet die Gelenkkapsel, sie wird unelastischer, womit die Beweglichkeit des Gelenkes abnimmt und umgekehrt der Zug an den Anheftungsstellen der Gelenkkapsel zunimmt. Dies führt zu einem Teufelskreis. Der vermehrte Zug verursacht eine Reizung an der Anheftungsstelle der Gelenkskapsel mit der Folge andauernder Entzündung. Dadurch wiederum steigt die Empfindlichkeit bzw. Schmerzhaftigkeit des Gelenkes. Je elastischer das Gewebe gehalten werden kann (Wärme, Bewegung,...) desto langsamer schreitet der destruktive Prozess voran.

    Die frühen Schäden einer Arthrose sind röntgenologisch nicht darstellbar, weil Knorpel sich im Röntgenbild nicht darstellen lässt. Im weiteren Verlauf werden Knochenreaktionen an den Ansatzstellen der Gelenkkapsel am Knochen röntgenologisch auffällig. Im Lauf der Zeit können hier Wucherungen entstehen, die blumenkohlartig wachsen. Über das Ausmaß des Knorpelschadens lässt sich damit aber noch nichts sagen. Erst im fortgeschrittenen Stadium sieht man eventuell eine Verschmälerung des Gelenkspaltes wegen der Abnahme der Dicke des Knorpels und/oder eine Verdickung der Knochenschicht unter dem Gelenkknorpel (subchondrale Knochenplatte).

    Gelenkbefund eines Pferdes mit Endstadium Arthrose. Großflächiger bis in den Knochen reichender Knorpeldefekt im Hufgelenk. Hier könnte nur ein künstliches Gelenk helfen. Die Heilung oder Reparatur eines solchen Schadens wird beim Pferd nie möglich werden, da man die Gelenkoberfläche an dieser Stelle chirurgisch nicht erreichen kann und biologische Knorpelheilverfahren wie Stammzellentherapie nicht in der Lage sind, einen solchen Schaden zu reparieren.

     

    Röntgenbilder desselben Pferdes mit dem großflächigen Knorpeldefekt. Auf dem Röntgenbild sind zwar deutliche Arthroseerscheinungen sichtbar, lassen aber keinen sicheren Rückschluss auf das wirkliche Ausmaß des Knorpelschadens zu. Der rote Pfeil zeigt auf die Zubildungen am Kapselansatz (Schale). Die AP Aufnahme gibt einen Hinweis auf den rechts schmäleren Gelenkspalt.

     

    Die Wege zur Arthrose sind vielfältig. Neben ganz natürlichem altersbedingtem Verschleiß und absoluter mechanischer Überbeanspruchung bzw. Verletzung hat die Arthrose die Tendenz sich in einem Teufelskreislauf  weiter zu verschlimmern. Im Verlauf einer Arthrose sammeln sich im Gelenk abgeschilferte Knorpelbestandteile, im schlimmsten Fall sogar kleine Knochenbestandteile und Entzündungsbotenstoffe an. Diese Mischung reizt das Gelenk, was wiederum die Qualität der Gelenkschmiere beeinträchtigt, die regelrecht verwässert, immer weniger Schmierfunktion erfüllt, den Gelenkknorpel nicht mehr richtig ernähren kann und selbst zur reizenden Substanz wird. Durch diese Abfolge wird die chronische Entzündung aufrechterhalten.

    Um einen solchen Teufelskreis zu unterbrechen und dem Gelenk die Chance zur Beruhigung zu geben kommt eine therapeutische Gelenkspülung in Frage, die die aggressiven Substanzen entfernt.  Auch der Einsatz von entzündungshemmenden Medikamenten direkt im Gelenk oder auf andere Weise verabreicht, zielt auf die Unterbrechung des Teufelskreislaufes und soll die weitere Zerstörung des Gelenkknorpels bremsen oder verhindern.

    Eine weitere Negativspirale wird durch den Schmerz bei einer Arthrose eingeleitet. Die Kapselverhärtung verursacht Schmerzen. Die Schmerzen reduzieren die Beweglichkeit des Gelenkes und das Pferd versucht selbst weniger zu laufen, da das Laufen mit Schmerzen verbunden ist. Folge der reduzierten Bewegung des Gelenkes ist eine weitere Unterversorgung des Gelenkknorpels, so dass dieser wiederum schneller Schaden nimmt, womit der Kreislauf geschlossen ist. Die reduzierte Bewegung hat auch weitere Folgen auf den übrigen Bewegungsapparat. Mangels Bewegung nimmt die Muskulatur ab, Sehnen und Bänder schrumpfen und werden unelastisch, der Schmerz führt zu Muskelverspannungen und -verhärtungen bzw. Muskelverkürzungen. In der Folge schrumpft die Gelenkkapsel ebenso. Typisches Symptom der Erscheinung ist  das bekannte "Einlaufen" beim vorliegen einer Arthrose. Wenn die Pferde aus dem Stall kommen, ist der Gang hölzern und steif, besonders auf hartem Boden. Die Elastizität kommt erst nach 10-15 Minuten wieder.

    Generell kann man den Verlauf einer Arthrose in drei Stadien einteilen. Im ersten Stadium, dem Frühstadium, kann man eigentlich noch nicht von einer Arthrose reden. Hier liegen nur feine Knorpelschäden an der Gelenkoberfläche vor. Diese Phase ist in der Regel nicht schmerzhaft und kann beim Pferd nur durch eine Untersuchung der Gelenkschmiere diagnostiziert werden. Die Langzeitfolgen für das Gelenk können jedoch bei einer oberflächlichen Auffaserung der Gleitschicht beachtlich sein. Im mittleren Stadium einer Arthrose liegen bereits feine Risse und Spalten in der Lauffläche vor. Mit der Zeit werden diese dann immer tiefer und es entstehen Schleifspuren ( Usuren).  Die Knorpelschicht wir dünner und verliert ihre Belastbarkeit. Dieses Stadium hat bereits Auswirkungen auf die Gelenkkapsel. Die Erscheinungen sind zum Teil röntgenologisch darstellbar. Im Spätstadium ist der Gelenkknorpel stellenweise abgerieben und Knochen liegt frei. Dieser Zustand ist hoch schmerzhaft, vor allem, wenn Knochen auf Knochen reibt. Pferde in diesem Stadium sind hochgradig lahm und bei Arthrosen im Hufgelenk nicht mehr therapierbar.

    Das klinische Erscheinungsbild einer Arthrose kann von Tag zu Tag schwanken. Neben relativ schmerzarmen Ruhephasen kann es Arthroseschübe geben. Wenn die Reizung so stark wird, dass das Gelenk bei vermehrter Wärme geschwollen erscheint, spricht man von aktivierter Arthrose.

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Weitere Beispiele für schwere Arthrose Befunde im Hufgelenk
  • Zysten
  • Im Hufbein kommen gelegentlich Zysten vor, die häufig Zugang zum Gelenk haben. Diese Zysten sind nicht unbedingt schmerzhaft und werden nicht selten zufällig entdeckt. Sie können aber auch das “aus” für das Pferd bedeuten.

    Beispiel für Hufbeinzyste
  • Processus extensorius, OCD
  • Der Processus extensorius ist der Strecksehnenansatz am Hufbein. Hier finden sich Veränderungen im Sinne einer Insertionsdesmopathie der Strecksehne, die sich im fortgeschrittenen Stadium als Verkalkungen oder Verknöcherungen (Metaplasie)  zeigen. Im Bereich des Strecksehnenansatzes kann es bei Wachstumsstörungen zu Bildung von “Chips” kommen.

    Manchmal entstehen auch isolierte Verknöcherungszonen (Ossifikationszentren), die wie Chips aussehen und z.T. erhebliche Größe aufweisen. Diese röntgenologisch riesigen Gebilde sind aber oft lange nicht schmerzhaft und werden dann eher zufällig entdeckt. Wenn sie zur Lahmheit führen sind sie ein therapeutisches Problem, sofern man das Fragment nicht chirurgisch entfernen kann.

    Außerdem kommen Abrißfrakturen des Processus extensorius vor. Die meisten "Frakturen" des Processus extensorius sind keine, sondern die oben beschriebenen Störungen und fallen in den Bereich der Osteochondrose (OCD).

    Beispiel für isolierte Verknöcherung des vorderen Anteils des Hufgelenkes.
    Beispiel für Chip im Hufgelenk (OCD)
    Beispiel für Metaplasie in der Strecksehne
  • Luxation, Subluxation
  • Darunter versteht man den Zustand, wenn ein Knochen aus dem Gelenk herausspringt. Im Hufgelenk kommt dies nur sehr selten vor, da das Hufgelenk im wahrsten Sinn des Wortes in der Hornkapsel  fest “eingekapselt” ist. Man sieht diesen Zustand gelegentlich in der Endphase der Zerstörung nach einem Nervenschnitt.

    Beispiel für Subluxation bei vollständiger Zerstörung des Gelenkes
  • Frakturen, Fissuren
  • Frakturen und Fissuren des Hufbeines kommen gar nicht so selten vor. Sie können sowohl das ganze Hufbein betreffen als auch den Rand des Hufbeines oder einen Hufbeinast. Wenn lediglich eine Fissur vorliegt, also ein unvollständiger Bruch, ist dies anfangs oft nur schwer röntgenologisch nachweisbar und die  Hufzangenprobe ist häufig auch weniger hilfreich als man erwarten könnte. Der Tierarzt sucht dann meist erst einmal nach dem Hufgeschwür oder der Huflederhautentzündung.

    Die meisten Hufbeinfrakturen heilen unproblematisch mit einem Spezialbeschlag ab. Wenn die Fraktur in das Hufgelenk reicht, wird es häufig problematisch, da Folgeschäden entstehen können, die dann zur Hufgelenksarthrose führen.

    Beispiel für Hufbeinfraktur mit Beteiligung des Hufgelenkes
    Beispiel für Hubeinrandfraktur
    CR5Z18N0J060500
    Beispiel für Hufbeinastfraktur
  • Kollateralbandschäden des Hufgelenkes
  • Schäden an den Seitenbändern (Kollateralbändern) des Hufgelenkes werden vermutlich in der Praxis häufig mit “Hufrolle” verwechselt. Die Diagnose eines Kollateralbandschadens des Hufgelenkes ist meist sehr diffizil, weil die klinische Symptomatik der des Hufrollensyndroms weitgehend gleicht. Die Lahmheit nimmt immer auf dem harten Zirkel deutlich zu, die TPA ist praktisch immer positiv, wobei bei den meisten Pferden aber eine Restlahmheit verbleibt. Die Hufgelenksanästhesie bessert die Lahmheit in etwa der Hälfte der Fälle, führt aber in der Regel nicht zur Lahmheitsfreiheit. Röntgenologisch sind die Insertionsstellen des Bandes in der Regel unauffällig. Leider sind auch per Ultraschall nicht alle Kollateralbandschäden darstellbar und die Szintigrafie zeigt auch nur in etwas über der Hälfte der Fälle einen Schaden an.

    Zerrungen des Seitenbandes des Hufgelenkes lassen sich mittels Ultraschall oft gut nachweisen. Die größte Aufklärungsquote erbringt MRT.  In den meisten Fällen findet man neben einem Kollateralbandschaden auch weitere Veränderungen im distalen Gliedmaßenbereich wie die Erkrankung des Hufgelenkes und des Strahlbeinkomplexes.

    Linkes Bild  normales Seitenband, rechtes Bild geschädigtes Seitenband des Hufgelenkes
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    Beispiel für Faserrisse im Kern des Seitenbandes (hypoechogene - markierte schwarze Zone im Zentrum des Bandes)

 

    Bisher wenig untersucht ist die Beteiligung anderer Bänder, die die diversen anatomischen Strukturen im hinteren Bereich des Hufes zusammenhalten. Auch sie sind mit Sicherheit je nach Sachlage mehr oder weniger betroffen.

     

Kronrand

Wenn man im dorsalen Bereich des Kronrandes eine Grube fühlt, ist dies ein Hinweis, dass eine Hufbeinsenkung vorliegen könnte. Ist die Absenkung gravierend genug, wird abgesehen von Instabilitäten der Hornkapselaufhängung auch der Bewegungsumfang des Hufgelenkes eingeschränkt mit der Folge von therapieresistenten Hufgelenksentzündungen. Ist der Kronrand geschwollen kann dies ein Hinweis auf eine Hufgelenksentzündung sein, wenn etwas mehr an der Seite für einen Kollateralbandschaden und noch etwas weiter zur Seite für eine Hufknorpelverknöcherung.

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Die gelben Linien markieren den Abstand des Hufbeines vom Kronrand. Rechts normale Verhältnisse, links deutliche Anzeichen einer Hufbeinsenkung. Wie man an der roten Linie erkennen kann, ist der Bewegungsspielraum gegenüber der grünen Linie wesentlich eingeschränkt, da das Kronbein gegen den Kronsaum stößt. (Das Abbildung  ist eine Montage)

 

Hufknorpelverknöcherung

Der Hufknorpel spielt für den Dämpfungsmechanismus des Hufes eine große Rolle. Wenn er verknöchert kann er raumfordernd werden und drückt dann in der Hornkapsel wie eine zu große Einlage in einem zu engen Schuh. Die Folge ist weitere Einschränkung der Dämpfungsmechanismus, ein fühliger steifer Gang sowie unspezifische Schmerzhaftigkeit. Eine wirkliche Lahmheit geht von einer Hufknorpelverknöcherung selten aus. Mehr über die Funktion und Veränderungen des Hufknorpels steht beim Abschnitt Krankheitsprozess.

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Bildmaterial zu Hufknorpelverknöcherung

Ballen, Ballengrube

Eine auffällige Füllung der Ballengrube ist ein Hinweis auf erhebliche Schäden der tiefen Beugesehne. Hier ist auch auf Trachtenhochstand, “sheard heels”, eingerollte Trachten und andere Fehlbelastung bedingte oder auf fehlerhaften Beschlag zurückzuführende Veränderungen zu achten. Solche Veränderungen gehen oft mit chronischen Quetschungen der Trachtenwand einher, die auf die Hufzange aber nur wenig anzeigen. Die Reaktion auf die Hufzange bleibt vor allem dann aus, wenn eher das Hufbein als die Huflederhaut betroffen ist. Wie zu Beginn beschrieben ist  diese Region ein wichtiger Teil des “Stoßdämpfers” im Huf.

Hornkapsel / gesamter Huf

  • Form und Ausbildung des Hufes
  • Form und Ausbildung der Hornkapsel sprechen Bände für den erfahrenen Untersucher. Steile enge Hufe dienen nicht mehr als Stoßdämpfer, entsprechend prellend erfolgt die Fußung mit der Folge von diversen Schäden an den distalen Strukturen und einer fühligen unelastischen Fußung auf hartem Boden und auf dem Zirkel. Umgekehrt führen lange Zehen und angelaufene bzw. kaputt gequetschte Trachten zu einer vermehrten Zugbelastung an den Strukturen des Strahlbeinkomplexes mit entsprechend zerstörerischen Folgen. Meist rollen die Trachtenwände dann noch nach innen ein mit dem Resultat einer chronisch oft kaum mehr therapierbaren Trachtenquetschung, da der Zustand nicht mehr grundsätzlich umkehrbar ist. Die Grundstruktur der Hufe ist häufig regelrecht zerstört, weshalb der Huf seine normalen Funktionen nicht mehr erfüllen kann.

     Beschlags- / Pflegezustand

    Beschlag - ob fehlend, fehlerhaft oder überfällig ist ein sehr häufiger Grund für Lahmheiten. Immer wieder ist er aber auch Ursache für schleichende Erkrankungen des Fundaments. Das Ideal wäre natürlich ohne Beschlag auszukommen, da so die natürlichen Mechanismen am besten funktionieren, aber wenn die Veränderungen des Hufes gravierend genug geworden sind, kommt man meist um einen therapeutischen Beschlag nicht mehr herum. Der sportliche Einsatz zwingt natürlich auch oft zum Beschlag.

    Die Huf und Hornqualität tut ein Übriges. Ausgebrochene nicht mehr tragfähige Wände führen fast immer zu Fühligkeit oder Lahmheit.  An solchen Hufen ist ein Hufeisen oft kaum noch aufzunageln. Besonders problematisch wird es, wenn zu hoch sitzende oder zu dicke Nägel zu drücken beginnen. Klebeeisen sind auch keine Dauerlösung, da sie langfristig die Hornwand weiter zerstören. Sie sind aber als Zwischenlösung sinnvoll.

  • Huferkrankungen der Sohle und Wand
  • Die belastete Grundfläche beträgt  lediglich 30-50cm2 pro Huf. Auf diese kleine Grundfläche wirkt beim Fußen das Gewicht des Pferdes mit 500 bis 600kg sowie die zusätzlichen Kräfte durch die Bewegungsenergie ein. Wenn diese Kräfte nicht verteilt auf den gesamten Huf einwirken, sondern nur lokal konzentriert sind, ist die Folge eine Quetschung/Prellung der Sohle, Trachten,... oder wo auch immer die Kräfte einwirken. Die Dicke der Sohle beträgt in der Norm etwa 6-10 mm.

    Die Wandstärke der Hornkapsel ist im Zehenbereich ca. 15 mm stark und nimmt zu den Trachten hin ab, wo sie nur noch eine Stärke von 6-8 mm aufweist. In den Eckstreben ist die Wand ebenfalls sehr dünn. Durch die unterschiedliche Wandstärke wird der Hufmechanismus begünstigt, der bewegliche Trachtenwände voraussetzt.

    Die “weiße Linie” ist eine Verbindungsschicht, die am Tragrand zwischen Wandhorn und Sohlenhorn liegt.  Da diese Hornschicht wesentlich weicher ist, ist sie Anfällig für Erkrankungen.

  • Hufgeschwür
  • Im Zuge solch einer Quetschung tritt Flüssigkeit oder auch Blut in die Verbindungsschicht zwischen Huflederhaut und Horn, womit sie durchsaftet. Die durchsaftete weiße Linie kann von Bakterien leichter bezwungen werden, es kommt zum Aufstieg von Bakterien und es bildet sich ein Hufgeschwür. Der klassische Weg des Hufgeschwürs ist jedoch ein kleiner Kanal oder Sprung in der weißen Linie, über den Keime dann aufsteigen, sich abkapseln und das klassische Hufgeschwür verursachen.

  • Integrität -- hohle Wand / lose Wand / Hornspalt / Hornkluft
  • Risse und Ablösungen der Wand stellen ein zunehmendes Problem dar. Hornspalten, hohle und lose Wände sowie Hornsäulen führen zu schmerzhaften Zuständen.  Sie lassen sich mit den modernen Kunststoffen aber gut therapieren, wenn die Ursachen abgestellt werden können. Auch diese Erkrankungen sind meist Folge von Fehlbelastungen, in diesem Fall des Tragrandes bzw. der Hufwand. Belastungsspuren an den Eisen oder dem unbeschlagenen Huf können als Hinweis für fehlerhafte Belastung dienen.

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Beispiel für einen Hornspalt und seine Reparatur

       

  •  White Line Disease
  • Haltungsbedingt ist die Hornqualität in vielen Fällen nach einigen Jahren sehr schlecht. White line disease (verfaulte weiße Linie) führt immer wieder zu diffusen Lahmheiten und endet im schlimmsten Fall mit der Absenkung des Hufbeines. 

    White line disease ist eine Erkrankung der Verbindungsschicht (weißen Linie) zwischen Hornkapsel und Hufbein. Vermutlich ist eine Pilzinfektion die Ursache, in deren Verlauf das Verbindungshorn zerfällt bzw. wegfault. Die Hufwand löst sich ab oder wird abgeschert. Im  Gegensatz zur Hufrehe ist nicht die aktive durchblutete Verbindungsschicht sondern das tote Horn erkrankt. Auf den ersten Blick sehen die Röntgenbilder der fortgeschrittenen Erkrankung sehr ähnlich aus. Beim Rehehuf ist die Verbindungsschicht an der Sohle primär geschlossen, bei der white line disease geht die Erkrankung von der Sohlenseite aus.

WhiteLineDisease
Links abgescherte Hufwand bei white line disease, rechts zum Vergleich gesunder Huf

 

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Beispiel für einen Fall von white line disease

       

  • Strahlfäule
  • Strahlfäule ist ein Hygieneproblem und beruht auf einer bakteriellen Zersetzung von Strahlhorn. Mit der Zersetzung wird die Strahlfurche und Kavernen im Strahlkissen immer tiefer und zerklüfteter. Dadurch können sich die Bakterien noch besser einnisten und ein Teufelskreis beginnt. Strahlfäule kann durchaus auch zu einer meist sporadischen Lahmheit führen. Die Behandlung erfordert hygienische Stallverhältnisse, einen sauber ausgeschnittenen Strahl, austrocknende Medikamente und reichlich Gegendruck in der Strahlfurche. Ohne Gegendruck (z. B. durch in die Strahlfurche gepresste Watte) findet keine vernünftge Verhornung statt.

  • Hufkrebs
  • Beim Hufkrebs kommt es zu einer wenig verstandenen unkontrollierten Fehlverhornung und Wucherung des Hufhorns. In der Regel beginnt das Strahlhorn sich im Bereich der mittleren Strahlfurche Blumenkohl-ähnlich zu entwickeln. Da keine normale Verhornung stattfindet, gleicht der veränderte Bereich einer offenen Wunde.  Die Wunde ist  sehr empfindlich, was zu Lahmheiten führen kann aber nicht muss. Schon bei geringer Berührung (Auskratzen der Hufe) kommt es zu Blutungen. Strahlkrebs muss chirurgisch entfernt werden. Bei unbehandelten Hufen greift die Erkrankung auch auf das Eckstreben und Sohlenhorn über.

  • Hufrehe
  • Hufrehe ist ein so umfangreiches Kapitel, dass an dieser Stelle nicht darauf eingegangen werden kann. Kernpunkte der Hufrehe ist die Zerstörung der Verbindungsschicht von Hufbein und Hornkapsel (Hufbeinträger), wodurch die Tragefähigkeit des Hufes verloren geht. Der akute und subakute Prozess geht mit hochgradige Pulsation und großen Schmerzen einher. Wenn der Krankheitsprozess nicht schnell gestoppt werden kann, kommt es zur Hufbeinrotation mit Absinken des Processus extensorius (palpierbare Rinne am Kronsaum) oder das gesamte Hufbein sinkt in der Hornkapsel ab. Hufrehe und hufreheartige Veränderungen können sich auch sehr langsam und schleichend ohne akuten Schub entwickeln und sind entsprechend weniger schmerzhaft. Grundlage dieser Reheform ist eine Stoffwechselkrankheit, die “Metabolisches Syndrom der Pferde” bezeichnet wird. Die betroffenen Pferde sind immer überernährt, was zusammen mit Bewegungsmangel zur Anfälligkeit für Hufrehe führt. Bei der klassischen Hufrehe mit Hufbeinrotation ist die Zangenprobe über der Hufbeinspitze am stärksten positiv.

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Links Rehehuf mit starker Hufbeinrotation, rechts zum Vergleich gesunder Huf

 

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Linkes Bild Hufbeinsenkung, rechts zum Vergleich Bild eines gesunden Hufes

 

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Beispielhaftes Bildmaterial zu Hufrehe

 

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