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Einleitung

Dilemma Hufrolle

Obwohl nun eigentlich schon jede Menge über das Thema “Hufrolle” geschrieben worden ist, scheint zu diesem Thema immer noch ein gewaltiges Informationsdefizit vorzuliegen. Zum einen, weil die Problematik sehr komplex ist, in den letzten Jahren eine Menge neuer Information hinzugekommen ist, und zum anderen es  immer noch nicht  “DIE” Therapie für “Hufrolle” gibt.

Die tägliche praktische Erfahrung am Patienten zeigt, dass die bisherigen Theorien oft nicht so recht mit den tatsächlichen Krankheitsbildern und Krankheitsabläufen  harmonisieren. Oft blendet die Theorie  in ihrer Fokussierung auf einen kleinen Aspekt des Krankheitsgeschehens das Gesamtbild aus und erkennt nicht mehr was eigentlich wirklich passiert.

Neue Erkenntnisse zeigen, dass anatomische Grundlagen offensichtlich zu wenig differenziert in den Lehrbüchern dargestellt wurden. Hier hat sich in den letzten 10 Jahren viel getan. Die Aussage von Anästhesien  wird heute wesentlich besser verstanden. Mit zunehmendem Detailwissen nimmt aber auch die Komplexität zu. So einfach wie früher ist es nicht mehr. Eine positive TPA (die unterste Leitungsanästhesie) ist  nicht mehr synonym mit “Hufrolle” und ein paar Gefäßkanäle am unteren Rand des Strahlbeins machen ein Pferd bei der Kaufuntersuchung nicht unbrauchbar.

Mit der Entwicklung neuer diagnostischer Methoden lässt sich viel exakter feststellen, welche Strukturen eigentlich erkrankt sind und mit diesem Wissen kann dann auch viel gezielter behandelt werden. Die therapeutischen Möglichkeiten haben ebenfalls zugenommen, womit das Problem Hufrolle zumindest im frühen Stadium seinen Schrecken verloren hat. War früher der Nervenschnitt in manchen Pferdepraxen die häufigste Operation, ist dieser Eingriff heute in unserer Praxis eher die Seltenheit.

Ganz allgemein stellen Lahmheiten die häufigsten gesundheitlichen Probleme des Pferdes dar. Der Sitz der weitaus überwiegenden Zahl der Lahmheiten liegt beim Reitpferd im Bereich unterhalb des Fesselgelenkes. Innerhalb dieser Region wiederum sind die Strukturen im hinteren Teil des Hufes am häufigsten betroffen - der Region in der auch das Strahlbein liegt.

Um das Dilemma “Hufrolle” verstehen zu können, muss man die Problematik oder besser das Thema erweitern und vom “Hufrollenkomplex” sprechen, da es sich nicht nur um eine einzelne Struktur handelt. Aber  auch das reicht noch nicht, denn man muss sich mit sämtlichen Strukturen befassen, die im hinteren Bereich des Hufes liegen. Aus diesem Grund spricht man in der englischsprachigen Literatur auch von “palmar foot pain”, was nichts anderes bedeutet als "Schmerzhaftigkeit aus dem hinteren Hufbereich". Jede anatomische Struktur, die es gibt, kann auch krank werden und das gilt auch für den hinteren Bereich des Hufes. Wird das Ganze unter funktionellen Gesichtspunkten betrachtet, muss man sogar die gesamte untere Zehe berücksichtigen. Die Strahlbeinerkrankung im engeren Sinn umfasst immerhin noch das Strahlbein selbst, seinen Bandapparat, die Gelenkfläche des Strahlbeines zum Hufgelenk, den unteren Abschnitt der tiefen Beugesehne, den Schleimbeutel zwischen Strahlbein und tiefer Beugesehne (Bursa podotrochlearis) und die Gefäß- und Nervenversorgung des Strahlbeines.

Gemeinsam ist allen Erkrankungen im unteren Zehenbereich, dass die Stützphase schmerzt. Dennoch erscheint sie manchmal wie eine Hangbeinlahmheit bzw.  "Schulterlahmheit" , weil das Pferd Angst vor dem Auffußen hat.  Gemeinsam ist diesen Erkrankungen auch, dass die Lahmheit auf hartem Boden zunimmt und das Traben auf gebogenen Linien, besonders auf dem kleinen Kreis und hartem Boden, starke Schmerzen verursacht. Beugeprobe und Hufzange bringen oft unklare Resultate oder sind negativ.

Die Krankheit entwickelt sich in aller Regel schleichend. Der Beginn der Erkrankung wird vom Reiter gar nicht wahrgenommen. Erst wenn die Erkrankung fortschreitet merkt man die ersten Anzeichen. Das Pferd kommt steif und vorsichtig aus der Box, hat die ersten Tritte Mühe sich eng um die Vordergliedmaße zu drehen. Unter dem Reiter beginnt das Pferd zu stolpern, bekommt „Landeangst“ beim Springen und tritt nicht mehr so frei wie früher. In der Box neigen manche Pferde dazu sich einen kleinen Hügel unter den Vorderhufen zu scharren und sich auf die Zehenspitzen zu stellen, um die tiefe Beugesehne zu entlasten. In weiteren Verlauf beginnen die Pferde meist abwechseln auf einer der beiden Vordergliedmaßen geringgradig zu lahmen.

Abgesehen von dieser klassischen Verlaufsform der Hufrollenerkrankung gibt es natürlich auch akute Verletzungen eines Beines mit entsprechend einseitiger akuter Lahmheit.

 

Weshalb der Bereich der Hufrolle - oder eben weiter gefasst - der Bereich des hinteren Hufes so empfindlich ist (ein drittel aller Lahmheiten kommt aus diesem Bereich) und bei so vielen Pferden zu Problemen führt, wird sehr schnell klar, wenn man sich die Anatomie etwas genauer anschaut und dies nicht nur statisch sondern unter funktionellen Aspekten.

 

Anmerkung zur CD

Die CD soll möglichst allgemein verständlich eine Gesamtsicht über den erweiterten Themenkomplex “Hufrolle” vermitteln. Bestimmte Abschnitte - besonders der über die Anästhesien -  gehen sehr weit ins Detail und sind nur für diejenigen bestimmt, die es ganz genau wissen wollen (Mit VET Logo markiert). Das Material wurde bewusst nur elektronisch aufbereitet, da das Bildmaterial nur so qualitativ gut (Röntgenaufnahmen lassen sich schlecht drucken) und kostengünstig darstellen lässt.

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